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2 D Filme
Artist: The Laszivious Ears presented by: Secret Department for Cynical Musicology and Semiotics of Sound
Cassette 1
A1
D FILM I ... 28.26
EM percussion / tibetian bells / piano / violin / radio / e-guitar / toy-instruments
KS percussion / organ pipes / radio / e-bass / kitchenware / e-guitar / synthesizer /
rhythm computer / voice
B1
PSYCHOLOGIE DES KUNSTFREUNDES (Anonymes Tondokument) ... 23.45
Über eine bislang unbekannte Tonaufnahme aus dem Institut für Kommunikationsforschung
Vor wenigen Jahren wurden unter dem Nachlaß der Witwe des Psychologen und Kommunikationstheoretikers Erwin Waldner, eines früheren Mitarbeiters des Instituts für Kommunikationsforschung in Offenbach, neben einigem bislang verschollen geglaubten Material, darunter Manuskripte, Sitzungsprotokolle, Korrespondenz u.ä. auch einige frühe Drahtaufnahmen gefunden.
Daß nun solche Aufnahmen, deren auf uns überkommene Zahl nicht sehr groß ist, nach so vielen Jahren auftauchen, ist für sich schon ein seltener Fall. Daß sich aber unter diesen auch einige Vorträge befinden, ist ein besonderer Glücksfall. Die m.E. interessanteste Aufnahme ist ein Vortrag zur Psychologie der Kunstwahrnehmung. Diese kann geradezu als Grundlegung einer Theorie der Kunstwahrnehmung betrachtet werden und hätte möglicherweise, wäre sie nicht verschollen, das Manuskript ist leider ebenso verschollen und bis heute nicht aufgetaucht, der Forschung auf diesem Gebiete eine andere, vielleicht innovativere Richtung gegeben, als es dann geschehen ist.
Schon lange war bekannt, wie viel durch die plötzliche Schließung des Instituts verloren ging. So wies denn sowohl die Kommunikationsforschung als auch die spätere Rekonstruktion des Instituts und dessen Leistungen betrübliche Lücken auf. Daher ist der Fund ein besonders glücklicher zu nennen. Die Plötzlichkeit, mit der die damaligen Machthaber ihr Vorhaben, das gehaßte Institut nicht nur zu schließen, sondern zu beseitigen, in die Wirklichkeit umsetzten, ließ den Betroffenen nur wenige Stunden Zeit, zu retten, was zu retten war. Damals muß Waldner in aller Eile zusammengerafft haben, was er in der Schnelle erreichen konnte. Wie uns seine Witwe mitteilte, hat er danach dieses Material in ihrem Hause, später bei Verwandten verborgen. Da sie selbst es nicht zu Gesicht bekam und auch ihr Mann sich offenbar nicht mehr mit dem von ihm geretteten Material beschäftigte, hat sie es mit dem übrigen Nachlaß ihres Mannes verwahrt und nie näher untersucht. Es fiel also der Vergessenheit anheim, bis alles nach ihrem Tod einer Stiftung übergeben wurde.
Zum Text selbst ist leider nur zu sagen, daß sich näheres über Zeitpunkt der Aufnahme und vor allem über den Verfasser nicht zu bestimmen ist. Man kann den Aufnahmezeitpunkt nur in etwa eingrenzen, da bekannt ist, daß am Institut in den letzten Jahren seiner Tätigkeit unregelmäßig Versuche zur Aufzeichnung von Tondokumenten gemacht wurden. Zur Frage des Autors kann nur soviel gesagt werden, daß es sich sowohl um einen Institutsangehörigen, wie einen Gast handeln kann, da vergleichbare Texte bisher nicht bekannt oder eindeutig anderen Personen zugeschrieben werden können. Daher muß, nicht zuletzt, um voreilige Schlüsse zu vermeiden, auf die Durchsicht des bislang noch nicht gesichteten Materials, daß zudem leider über die Welt verstreut ist, gewartet werden.
Da es sich um einen erstaunlichen Fund handelt, der in der Rekonstruktion verschollenen geistigen Schaffens unseren Jahrhunderts seinesgleichen sucht, wird dieser Text hier vorab der Öffentlichkeit zugänglich gemacht:
PSYCHOLOGIE DES KUNSTFREUNDES
ANONYMES TONDOKUMENT
Das Verhalten der Augen weicht bei Kunstfreunden in mannigfacher Weise von der Norm ab. Bekanntlich sehen wir es einem „an den Augen“ an, ob er verstanden habe. Es ist schwer zu sagen, worauf der Ausdruck der Augen und seine Veränderung beruht.
Es kommt in Frage, ob das Auge mehr oder weniger tief in der Augenhöhle liegt, ob die umgebende Haut normal gefärbt ist, ob die Lidspalte weit oder eng ist, ob die Lider beweglich sind, ob das Auge reichlich Feuchtigkeit erhält, ob das Auge durch eine Schutzklappe verdeckt ist, usw. Sei dem wie ihm wolle, ein eigentümlicher matter Blick ist vielen Kunstbetrachtern eigen.
Ferner findet man häufig eine Rötung der Bindehaut, als ob eine Entzündung bestände. Diese Erscheinung ist sehr wechselnd, tritt besonders nach schlechten Nächten, Museumsbesuchen oder nach Benutzung von Ferngläsern im Dunkeln auf und verschwindet im Laufe des Tages wieder. Sie ist immer ein Ausdruck des Allgemeinbefindens, bessert sich und verschlimmert sich mit diesem.
Ebenfalls als Zeichen allgemeiner Schwäche tritt der „Hof“ um die Augen auf, ein bläuliches bis schwarzes Aussehen der äußeren Lidteile. Viele Rezipienten haben ungewöhnlich große und bewegliche Pupillen.
Von größerer Bedeutung ist die Sehschwäche, die die Ausstellungsbesucher oder Kinogänger oft außerordentlich belästigt und von großer Hartnäckigkeit ist.
Die Sehschärfe ist, sobald die Augen geruht haben, normal, aber rasch ermüden die Augen der Freunde der Kunst, der Photographie oder des Films beim Sehen, und je länger sie sehen, um so mehr schränkt sich das Gesichtsfeld ein. Diese bald regelmäßige, bald unregelmäßige Verengerung des Gesichtsfeldes ist sehr charakteristisch. Oft ist Lesen, Schreiben, Fernsehen oder jegliche Handarbeit mehr oder weniger behindert und schmerzhaft. Brillen helfen nichts. Blindheit kommt bei Kunstkritikern häufig vor. Bei diesen trifft man auch zeitweise Farbenblindheit.
Dagegen ist eine alltägliche Erscheinung nicht nur bei Rezipienten der bildenden Kunst, sondern auch der Literatur und Musik das Sehen von Funken, von Perlenschnüren, von grauen und schwarzen Streifen, von allerhand flottierenden Flecken. Alle diese Erscheinungen kommen auch bei Kulturschaffenden aus verschiedenen Ursachen vor, sind aber bei Konsumenten bzw. Rezipienten ungleich häufiger und treten auf die leichtesten Reize hin ein. Ein eigentümliches Augenflimmern ist oft Vorbote der Ohnmacht. Am Rande des Sehfeldes treten Funken auf, sie breiten sich aus und bedecken schließlich das Sehfeld bis zur Mitte. Dieses Flimmern dauert einige Minuten lang bis gegen eine Stunde, dann kommt die Ohnmacht.
Ohnmachten, die in der Tat als hysterische Anfälle zu deuten sind, und die Hörer, Seher und Leser, die einmal einen solchen Zufall gehabt haben, bekommen in der Regel auch mehr. Charakteristisch ist, daß die Ohnmachten bei bestimmten Anlässen auftreten, zum Beispiel beim Anblicke unverständlicher Filmszenen oder intellektueller Kunstwerke, beim Hören reinster Gesangsstimmen oder bei einer anderen unerwarteten geistigen Beanspruchung. Manchmal erscheinen dem Kunstfreund alle Gegenstände wie in weiter Ferne, andere glauben alles größer als gewöhnlich zu sehen, andere sehen die Dinge doppelt oder gleich mehrfach. Äußerst peinlich für die Betrachter, ausgenommen der Kinogänger ist die sogenannte Überempfindlichkeit der Netzhaut. Jedes stärkere Licht verursacht ihnen Schmerzen, sie fliehen vor der Sonne ins Museum oder Kino, suchen alle Zimmer zu verdunkeln und ziehen sich schließlich in gänzliche Dunkelheit zurück. Einige fürchten nur das weiße Licht, andere hassen bestimmte Farben.
Alle die genannten Sehstörungen disponieren zu Illusionen und Halluzinationen des Gesichts und erleichtern deren Eintreten, sobald sonst die Bedingungen dazu gegeben sind. Die undeutlich gesehenen Gegenstände werden leicht umgedeutet, eine Plastik wird für einen Menschen gehalten, Schatten für Mäuse, ja selbst Bilder für Filme, Farben für Geräusche, Noten für Photographien usw.
Das Ohr ist seltener als das Auge in Leidenschaft gezogen. Am ehesten beobachtet man bei Rezipienten subjektive Gehörserscheinungen, die gewöhnlich unter der Bezeichnung Ohrensausen zusammengefaßt werden. Dabei ist dies meist nur das Grundrauschen des Tonbandes.
Bald hören die Musikfreunde aber auch Klingen, bald ein Klopfen, bald Glockentöne, bald das Geräusch fallender Wassertropfen, bald Straßenlärm, bald Textfetzen. Auch Überempfindlichkeit des Ohres wird beobachtet. Entweder werden Musik und Geräusche überhaupt schmerzlich empfunden, oder es besteht eine Idiosynkrasie gegen bestimmte Musik.
Wiewohl selten, kommt tatsächlich nicht nur bei Kunstrezipienten, sondern auch bei einfachen Konzertbesuchern oder Kinogängern bei gesunden Hörorganen Schwerhörigkeit oder Taubheit vor, die ihre kulturbezogene Natur durch plötzliches Kommen und Gehen, etwa nach einem Kunstgenuß, kundgibt.
Besondere Erwähnung verdient der sogenannte Ohrenschwindel.
Bei gewisser Überanspruchung des Ohres treten Anfälle von Ohrenklingen, verbunden mit überaus heftigem Schwindel auf. Diese Zustände scheinen bei Kunstfreunden viel leichter zu stande zu kommen als bei Radiohörern zum Beispiel, und manchmal reichen geringe Affektionen des Ohres oder seiner Umgebung hin, den schwersten Ohrenschwindel auszulösen.
Von dem Ohrenklingen ist es zwar noch weit hin zu eigentlichen Gehörsillusionen, aber zuweilen nehmen die „Stimmen“, die die Rezipienten quälen, ihren Ausgang von jenem, während allerdings in der Mehrzahl der Fälle bei den Gehörshalluzinationen das Ohr als solches nicht beteiligt ist.
Einzelne Rezipienten klagen über ein Pulsieren in den Ohren, das bei Musikveranstaltungen, heftigen Auseinandersetzungen über Kunst, Walkman-Genuß und dergleichen zunimmt, auch durch geistige Erregung bzw. Verwirrung verstärkt wird. Es ist dies eine Folge der Überreizung.
Im Verlaufe andauernder Auseinandersetzungen mit Werken der Kunst können Blutungen aus allen möglichen Körperteilen auftreten, begleitet von einer Schwächung der Stimme. Die Stimme spricht nicht recht an und ermüdet rasch. Sie ist dann schwach, undeutlich, leise, zaghaft und unklar im Ton. Zuweilen versagt die Stimme plötzlich, die Betrachter, Hörer oder Leser haben das Gefühl, als ob ihnen der Hals zugeschnürt würde. Weitere Folgen sind Magenkrämpfe und Erbrechen, die bald vor, bald nach dem Kunstgenuß auftreten und sich unter Umständen einige Tage wiederholen. Viele Kunstkritiker bezeichnen Blähungen geradezu als ihr Hauptleiden und sehen im Abgang solcher ihre größten Lebensfreuden. Bei manchen sammeln sich in Magen und Därmen erstaunliche Mengen von Gas in oft unglaublich kurzer Zeit an, sie blasen die Rezipienten wie Bälle auf und können rasch, wie sie gekommen sind, mit lautem Geräusch nach oben und unten entweichen. Auch eine Form des Kommentars.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages ProCommunis
Gegendarstellung:
Es ist behauptet worden, ein unlängst aufgefundenes Dokument zur Psychologie der Kunstfreundes stamme aus dem Institut für Kommunikationsforschung und sei von Erwin Waldner an sich genommen und uns so erhalten geblieben. Dies ist unwahr.
Wahr ist vielmehr, daß es sich um einen Text meines Vaters Heinrich Lindemann handelt, den dieser 1982 geschrieben hat. Ein Erwin Waldner oder ein Institut haben mit diesem Text nichts zu tun.
Anmerkung der Herausgeber:
Wir sind gesetzlich verpflichtet, diese Gegendarstellung ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt abzudrucken.
Cassette 2
A1
D FILM II ... 26.40
EM e-guitar / rhythm computer / percussion / discs / voice / piano / synthesizer / trumpet
KS e-guitar / synthesizer / rhythm computer / fanfare / organ pipes / e-bass
B1
RADIOAUFNAHMEN VOM GIPFEL DES GROSSGLOCKNER ... 8.27
RADIOAUFNAHMEN VOM GIPFEL DES GROSSGLOCKNER
Die Gehörsempfindung mit eindeutig bestimmbarer Tonhöhe, die man gemeinhin als Ton bezeichnet, wenn sie physikalisch auf einem periodischen Schallereignis mit sinusförmigem Schwingungsverlauf beruht oder sich als musikalischer Ton aus dem Grundton und seinen gleichzeitig erklingenden Obertönen zusammensetzt. Dann aber entspricht er dem physikalischen Klang.
... das Pochen an der Tür wurde wie Orgeltöne erlebt. Wir sind schon geneigt, uns damit zufrieden zu geben, dies sei wohl hinreichend damit erklärt, daß der Traum bei der Umwandlung des an-der-Tür-Klopfens über das Glockengeläute bis zur Autohupe eben als notwendiges Zwischenglied die Orgeltöne gebraucht hatte. Mit heute noch nachschwingender starker Ergriffenheit berichtete er, wie er damals beim Einsetzen der vom Vater als Organist gespielten Orgel auf das Tiefste erschüttert war. ... Die absonderliche Umdeutung des Türklopfens über mehrere Zwischenstufen vom Glockengeläute über den Orgelklang zum Hupensignal würde uns somit verständlich.
In der quantitativen Verteilung liegt der Schlüssel, die gefälschte Perspektive zu umgehen. Doch muß vor jedem Schematismus gewarnt werden, zumindest muß, wenn schon ein Schema benutzt wird, bewußt bleiben, daß sich alles im Bereich des Relativen abspielt.
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